Über Bilder schreiben / Writing About Images



Deutschsprachige Texte (Auswahl) / English below:


1. Von Dingen und Zeichen. Zu Sebastian Haslauers Notizen. Vorwort, in: Sebastian Haslauer, Notizen, Edition Taube, München 2023
2. Drei Geistergeschichten. Literarischer Essay, in: electrical network, Kunstmuseum Liechtenstein, 2021
3. Ferdinand Nigg: Das bewegte Bild. Persönlicher Essay, in Ferdinand Nigg (1865–1949). Gestickte Moderne, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2015
4. Nosferatu auslachen. Prosagedicht, in: Der geheime Kinosaal der Bibliothek von Alexandria (und andere Bilder), Edition in Buchform, 100 Unikate, 2020

English Texts and Translations (Selection):


1. Why Colour? Notes on Imi Knoebel, Henri Matisse and Colour as a Quality. Catalog Essay for Circles and Wigs’ (Jessica Groome and Ashleigh Bartlett) exhibition BFF at Kamloops Art Gallery, Canada, 2018
2. Three Ghost Stories. Literary Essay, in: electrical network, Kunstmuseum Liechtenstein, 2021
3. Weak Signals and Strong Doubts. Prose Poetry, in: Water Music (Overture), Manfred Naescher and La Datcha, 2019


Von Dingen und Zeichen. Zu Sebastian Haslauers Notizen

1. Die Dinge

Im Film »Das Ding« (John Carpenter, 1982) treibt ein Alien sein Unwesen, indem es die Form der von ihm getöteten Menschen annimmt, und sich auf diese Weise ein paradoxes Recht herausnimmt, nämlich alles zu sein und gleichzeitig nichts. (Spoiler: Der Film bewegt sich nicht aus diesem Spannungsfeld heraus, sein Ende bleibt offen.)

Was ist das, ein Ding? Je nachdem, aber eines mit Sicherheit: das »Andere«, und das ist problematisch, denn es impliziert eine Perspektive, in der eben dieses »Andere« nicht nötigerweise mitgedacht wird, noch nicht mitgedacht werden kann, oder in anderen Worten, eine Perspektive, die das »Andere« nicht im eigenen Erfahrungsraum (im eigenen Körper) »dingfest« gemacht hat. Etwas dingfest zu machen ist allerdings auch problematisch, denn es ist ein Übergriff, ein Gewaltakt, keine freundliche, offene Einladung, und somit – wir kehren die Perspektive um – so etwas wie der Ansatz des Aliens in »Das Ding« gegenüber dem für es selbst »Anderen«. Dieses »Andere« wird eingesperrt ohne den Versuch es verstehen zu wollen. Es wird festgehalten und nicht mehr losgelassen. Behaust. Das Alien will sich das »Andere« einzig und allein für seine eigenen Zwecke einverleiben, also sich »zu eigen« machen.

Aber vom »Anderen« zu lernen – weiter gefasst: von all dem, was »da draußen« ist, zu lernen –, und darüber hinaus das Gelernte (oder auch nur das Gefundene, Bemerkte, Assoziierte) weiterzugeben, ist das, wofür sich Sebastian Haslauer interessiert. Er spaziert, notiert und zeichnet, er nimmt Dinge auf und eignet sie sich an, eingetippt auf der Notizen-App im iPhone, aufgezeichnet auf Papier, Dinge, die wir lesen und betrachten können. Dinge, die unfertig, unausgereift und skizzenhaft sind, aber die uns gerade aufgrund dieser Qualitäten, gerade aufgrund dieser Offenheit, dieser Bruchstückhaftigkeit, weiterdenken lassen, und zwar wohin wir wollen. Dinge sind ohnehin immer in Bewegung. In unterschiedlichen Geschwindigkeiten, auf unterschiedlichen Bahnen, auf unterschiedliche Weise. Was sie vereint ist einzig, dass sie unterwegs sind in verschiedene Richtungen. Dinghaftigkeit ist Bewegung, das Ding ist permanent im Werden begriffen.

Denn Aristoteles sagt: Die Wesenheit der Dinge, die das Prinzip der Bewegung in sich selbst haben, ist die Natur an sich. Das Werden und Wachsen ist möglich aufgrund der Bewegungen, die von der Natur ausgehen. Aristoteles sagt auch: Das Werdende wird »teils durch Natur, teils durch Kunst, teils von ungefähr« (teils von ungefähr?) und »alles aber, was wird, sei es durch Natur, sei es durch Kunst, hat einen Stoff; denn ein jedes Werdende hat die Möglichkeit sowohl zu sein als auch nicht zu sein, und das ist in einem jeden der Stoff.«1

2. Die Zeichen

Die Zeichen entladen sich. Denn Haslauers Auseinandersetzung mit der Welt, oder besser, mit Welten, äußeren wie inneren, ist wie jede Gehirnaktivität eine elektrische. Die Synapsen feuern Punkte und Striche, gerade, gebogene, lange, kurze, verbundene, verknotete, verzettelte, vergessene, verlorene, verwandte und bekannte in einem vielgliedrigen elektrischen Strom über die Axone in die Dendriten, die Finger können gar nicht anders als tippen, die Hand nicht anders als Linien zu ziehen, und so kommen die Zeichen auf den Bildschirm des iPhones oder auf das Blatt Papier.

Wenn Paul Klee davon spricht, dass Zeichnen und Schreiben »wurzelhaft eins«2 sind, spricht er nicht nur aus der Erfahrung seiner eigenen künstlerischen Praxis, sondern er verweist auch auf die frühesten Versuche des Menschen, sich mittels vom Körper emanzipierten Zeichen zu verständigen, ikonografisch zuerst, in reduktiver Bildsprache, wie mit dem in wenigen Strichen (oder Einkerbungen) definierten Ochsenkopf, der schon bald zum Schriftzeichen Alpha und daraus zum heutigen A werden sollte. Das ist der Weg vom Ding zum Zeichen. Auf Zeichen können sich alle einigen (thumbs up, lol) – wir wollen ja verstehen und verstanden werden.

Die Zeichen stehen also gut – wenn sie sich bewegen. Denn dann können sie sich verwandeln, werden sie beim Lesen und Betrachten zu Schlüsseln, die wie von Geisterhand Räume öffnen, Räume, in denen unsere eigenen Zeichen mit denen, die wir dort vorfinden, ins Geschäft kommen oder von ihnen verehrt oder ignoriert werden. Vielleicht bleiben wir noch für eine kurze Pöbelei mit irgendwelchen Ochsenköpfen, bis alle leicht lädiert nach Hause gehen (Hauptsache Kommunikation). Zuhause aber, unter unserem eigenen Dach, regnen die Zeichen wieder auf uns ein. Draußen, bei vollkommener Windstille, fliegen sie uns ins Gesicht. Wir sind an keinem Ort vor ihnen sicher. Wir können uns aber auch immer auf sie verlassen. Wo immer wir sind, sind sie auch. Wir müssen nur online gehen, obwohl, gehen ist unnötig, wir sind ja schon da, im Internet mit seinem konstanten Strom aus Content, der so nützlich wie zerstörerisch ist.

Sebastian Haslauer ist auch online, es lässt sich nicht vermeiden, soll es auch nicht. Sein Content ist ein assoziativer Stream of Consciousness, ist Dada, Hyperrealismus, Realitätsflucht und Alltagsbeobachtung, frei von übergeordneten Prinzipien oder hehrem Anspruch, auch rührend, absolutely fucking random, und ohne literarische Allüren, wie auch: es sind Notizen. Die Notizen eines Künstlers, für die es mehr als eine Lesart gibt, hier eine, kurz und nüchtern: Das Notizbuch von Sebastian Haslauer ist ein Museum der Zeichen, mit einer Sammlung von fragmentarischen Exponaten aus den Zeiten vor und während der Pandemie. Und es ist fertig und unfertig zugleich. Robert Gernhardt schreibt in einem seiner 675 zwischen 1978 und 2006 entstandenen Hefte mit Skizzen und Notizen, »dass diese Hefte die eigentliche Summe meiner Existenz darstellen, authentischer als Bilder und Bücher, da sie reine Bewegung sind und kein Ankommen – wohin und worauf immer diese Bewegung gerichtet ist (…) Denn natürlich haben all diese Partikel etwas Ahnungsvolles und Keimendes, das dem fertigen Werk gemeinhin abgeht, allerdings nicht dem Meisterwerk.«3

3. Der offene Ausgang

Auf dem Filmplakat für »Das Ding« sieht man eine Figur, ob Mensch oder Alien bleibt unklar, mit einer Stirnlampe, deren blendendes Licht alles vor ihr erleuchtet. Sebastian Haslauer ist so eine Figur. Er beleuchtet das, was ihm »da draußen« begegnet, auch was er denkt, und was er findet, nimmt er auf, und verwandelt – also: überträgt – das Gefundene in ein Medium (außerhalb von sich selbst), und legt es damit für alle, die es nach ihm sehen werden, offen. Das Medium, ein Ding, das Zeichen in sich trägt, ist das, was hier vorliegt. Es ist ein Notizbuch. Aber es könnte genauso gut ein Horrorfilm sein. Einer mit offenem Ausgang, natürlich. So wie »Das Ding«.

Anmerkungen

1. Zusammengefasst und zitiert nach: Aristoteles: Metaphysik. Übersetzt von Hermann Bonitz (ed. Wellmann). Herausgegeben von Héctor Carvallo und Ernesto Grassi. Rowohlt, 1968, S. 97, S. 151.

2. »Schrift und Bild, d.h. schreiben und bilden sind wurzelhaft eins.« Paul Klee, Bildnerische Gestaltungslehre, BG I.1/5

3. Schulz, Christoph Benjamin. Das Buch als Medium der Aufzeichnung: Skizzenbücher und verwandte Phänomene. Zitiert nach: Kippfiguren. Robert Gernhardts Brunnenhefte. Marbacher Magazin Nr. 120. Herausgegeben von Deutsches Literaturarchiv Marbach. Marbach am Neckar (ohne Jahresangabe), S. 75 f. In: Paradigmata zum Künstlerbuch. Gattungen und Werke von der Klassischen Moderne bis zur Gegenwart. Herausgegeben von Ulrich Ernst und Susanne Gramatzki. Band 2 der Reihe Mirabiblia, herausgegeben von Ulrich Ernst und Monika Schmitz-Emans. Christian A. Bachmann Verlag, Berlin, 2015, S. 141 f.

Erschienen als Vorwort in: Sebastian Haslauer: Notizen, Edition Taube, München 2023

Drei Geistergeschichten

Prolog

Wer über eine Kunstsammlung nachdenkt, findet sich vielleicht schon bald in einer Beschäftigung mit Geistern wieder. Denn ein Kunstwerk, jedes Kunstwerk in einer Sammlung ist natürlich nicht nur ein Kunstwerk, für sich alleine gültig, sich alleine genügend, sondern immer auch eine Geschichte aus der Vergangenheit, eine Erinnerung. Das Kunstwerk ist ein Teil eines grösseren Ganzen, und es ist nicht still, es ist in Bewegung, seine Position wandelt sich, manchmal schleichend, manchmal schlagartig: Es ist ständiger Veränderung unterworfen durch seinen äusseren Kontext, durch die Zeit, die voranschreitet, in deren sich erneuernden Werten, Ideen, imaginativen Möglichkeiten. Es gibt fixe, rationale Parameter für ein Kunstwerk wie dessen Provenienz, dessen kunstgeschichtliche Einordnung, dessen Genre-Klassifizierung, dessen handwerkliche oder konzeptuelle Qualität. Im Gegensatz dazu – oder: als Ergänzung – steht seine ephemere Komponente, die sich aus dem Wandel speist. Welche Fragen ergeben sich daraus? Was für Geister haben wir gerufen? Ist das Museum ein verwunschenes Schloss? Eine Toteninsel? Eine Klang-Performance, oder eine Installation aus Licht?

1. Die Avantgarde

Wir brauchen die Hand eines guten Geistes, die uns führt. Wir brauchen Kriterien, nach denen wir Dinge bemessen können. Klare Unterscheidungsmerkmale. Positionierung. Worte dafür. Wo hört etwas auf, wo beginnt etwas Neues? Wie in einem Text müssen Punkte gesetzt werden. Anfangspunkte, Schlusspunkte, Ellipsen …

Jede Avantgarde hat nur eine Zeit: die Zeit ihrer Entstehung und, im weiteren Sinne, diejenige ihrer Wirkungsgeschichte, aber das Beste, das ihr, der Avantgarde, geschehen kann, so Guy Debord, ist, dass sie ihre Zeit belebt, ohne sie zu überleben. Denn das Überleben der Avantgarde führt zu etwas, das nicht mehr mit der Idee der Avantgarde zu vereinbaren ist. Die Avantgarde bleibt zurück. Es sind einige wenige grundlegende Werke der Kunst, die wir einer jeweiligen künstlerischen Avantgarde zurechnen. Neu sind sie nur in ihrer Zeit, der sie eine Kontur geben – eine klare Linie, eine Abgrenzung zu dem, was davor war. Es kommt eine folgende Generation, Epigonen, sicherlich, aber auch Weiterführungen, Abwandlungen und irgendwann die nächste Avantgarde. Alles bleibt eingebettet in eine Zeit, eine bestimmte, eine endliche Zeit. Die künstlerische Avantgarde produziert Markierungspunkte auf dem Zeitstrahl der Kunst. Einige dieser Punkte werden später zu Exponaten in Sammlungen. Einige von ihnen sind bald schon im Rückspiegel, werden kleiner und kleiner, einige früher, andere später. Die Strasse selbst ist nur eine Strasse von vielen. Und es führen nicht mehr alle Wege nach Rom, oder Paris, oder New York; der westliche, männliche Kanon ist eine Ruine. Es geht in alle Richtungen. Linearität weicht dem Netzwerk. Dem Rhizom. Aber wir brauchen Orientierung, wir sehnen uns danach. Wohin gehen wir? Wir brauchen die Hand eines guten Geistes, die uns führt.

2. Die Geschichte

Im Film Ghost Dance von Ken McMullen aus dem Jahr 1983 sehen wir den Philosophen Jacques Derrida, sich selbst spielend, wie er einer fiktionalen Protagonistin das Kino als «die Kunst, die den Geistern die Rückkehr erlaubt» beschreibt. Daraus folgt, dass alles, was «zurückkehrt», bereits seinen Anfang als Geist genommen hat. Geister sind nach Derrida Manifestationen der Erinnerung an eine Vergangenheit, die nie in der Form einer Gegenwart existierte, folglich ein reines Kunstprodukt – eine Fiktion. Was Derrida auf das Kino anwendet, weitet der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger auf die Geschichte aus: «Die Geschichte ist eine Erfindung, zu der die Wirklichkeit ihre Materialien liefert. Aber sie ist keine beliebige Erfindung. Das Interesse, das sie erweckt, gründet auf den Interessen derer, die sie erzählen; und sie erlaubt es denen, die ihr zuhören, ihre eigenen Interessen [...] wiederzuerkennen und genauer zu bestimmen. [...] Einen Schatten wirft [...] das wahre Subjekt der Geschichte [...] voraus als kollektive Fiktion.» Die einzelnen Teile einer Sammlung, sei es von Kunst oder Objekten jeder Art, tragen im Zusammenspiel ein narratives Potential in sich, das in deren Präsentation eine Form annehmen kann, die eine neue Geschichte im Jetzt über Artefakte aus der Vergangenheit erzählt. Die Vergangenheit, und damit all das, was man aus ihr lernen kann, all die Geister, die sie in sich trägt, die guten wie die bösen, und alle dazwischen, können so jeweils neu in der Gegenwart bewertet und eingeordnet werden. So wird das Museum zum Autor seiner Sammlung, schreibt sie fort, und die Besucherinnen und Besucher werden zu Leserinnen und Lesern einer alten und doch immer neuen Geschichte.

3. Die Gleichzeitigkeit

Anfang 2021. Museen und Galerien sind aufgrund der fortwährenden Pandemie geschlossen, Ausstellungen sind aufgebaut, aber Besucher nicht zugelassen. Es ist still in den Ausstellungsräumen. Gleichzeitig ist im Internet eine grosse virtuelle Betriebsamkeit in den sozialen Medien und Web-Präsenzen einiger Galerien und Museen zu beobachten. Digitale Ausstellungsmodelle, wie etwa die sogenannten Online-Viewing-Rooms von Kunstmessen oder eigens für einzelne Ausstellungen entwickelte Apps, die den Ausstellungsbesuch via Avatar im digitalen Raum ermöglichen, können auf Laptops und Smartphones aufgerufen werden. Grosse Ausstellungsräume werden durch kleine Bildschirme auf dem Smartphone ersetzt, eine technologische Membran ist zwischen Kunsterfahrung und Kunstinteressierter oder Kunstinteressiertem, aber gleichzeitig ermöglicht genau diese Schnittstelle den Dialog mit der Kunst, während der physische Raum der Kunst aktuell nicht zugänglich ist (oder auch wenn er wieder zugänglich ist: im digitalen Raum als virtuelle Erweiterung des Museums). Die dünne Glasplatte auf dem Smartphone bildet den Kontaktpunkt zwischen unserer eigenen körperlichen Realität und der digitalen Realität. Auf der einen Seite: die Berührung durch die Finger, die tippen, tappen und swipen, auf der anderen Seite: die vorprogrammierte Reaktion (vermehrt auch: künstliche Intelligenz, die lernt und ihre Reaktion anpasst) auf die jeweilige Berührung, die Rückmeldung aus dem virtuellen Raum. Das Objekt, hier: das Smartphone, nimmt die Berührung unvoreingenommen an, es kann nicht anders, die Hardware ist dazu vorgesehen, die Software ist so programmiert. In der Smartphone-Nutzerin oder im Smartphone-Nutzer, also im Subjekt, wird derweil der Impuls des Wunsches (Freud) getriggert, oder stärker, des Verlangens (Lacan), so der Autor Clint Burnham in seiner psychoanalytischen Untersuchung des Internets. Es ist also eine doppelte Übertragung, in zwei Sphären, zum einen zwischen dem technischen Objekt und dem menschlichen Subjekt, und zum anderen im Subjekt selbst zwischen dem Unbewussten, also unserem eigenen genetischen Programm der Triebe und Instinkte, das darauf wartet, ausgeführt zu werden, und dem bewussten, reflektierenden Ich, das empfangene Daten bewertet und einordnet. Also: sammelt. Die Datensammlung unsererseits, vom Subjekt, von der Nutzerin und dem Nutzer, läuft gleichzeitig ab mit derjenigen des Smartphones, das unser Online-Verhalten und unsere Vorlieben speichert und weitergibt, an die Firmen, denen die Apps gehören, die wir benutzen. Diese Daten werden archiviert (und ständig erneuert, verknüpft und ausgewertet, aus Gründen, die zumeist auf Macht und Geld beruhen, aber nicht nur) auf Servern, weltweit, in sogenannten Datenzentren, in ihrer Gesamtheit Cloud genannt: Vergangenheit und Gegenwart als ein sich permanent ausweitender Datensatz. Die Cloud: ein ephemeres Gebilde der Gleichzeitigkeit, durchdrungen von Geistern, unseren eigenen und von der Maschine erweckten. Durch die Cloud sind wohl so viele Archive wie noch nie zuvor in der Geschichte der Kunst offen zugänglich: Auf Bilder von Kunstwerken in Sammlungen, die teils noch nie oder lange nicht mehr in Ausstellungen zu sehen waren, können auf den Websites der Museen in deren digitalen Archiven zu jeder Zeit zugegriffen werden. Unzählige Bilder, die zuvor vielleicht nur – wenn überhaupt – mit erheblichem Aufwand in Büchern zu finden waren, sind über das Internet im digitalen öffentlichen Raum frei verfügbar. (Ob diese Bilder, die permanent digital reproduziert und rezipiert werden, deshalb häufiger und tiefer reflektiert werden, steht auf einem anderen Blatt – oder Bildschirm.) Gleichzeitigkeit: Im Museum können Vergangenheit und Gegenwart in der Ausformung ihrer künstlerischen Artefakte in räumliche Zusammenhänge gesetzt und reflektiert werden. Solchen Ausstellungskontexten stehen digitale Formate wie Virtual Reality und Augmented Reality gegenüber, die das audiovisuelle Potential des Kinos und des Theaters, und insbesondere des Videospiels in hermetischen Erfahrungsräumen maximieren. Die Nutzerin oder der Nutzer trägt ein VR-Headset und ist von der Aussenwelt abgeschlossen, eingeschleust in eine virtuelle Erlebniswelt. Gleichzeitigkeit: Traditionelle Kunstformen wie die Ölmalerei, Bildhauerei, Fotografie, etwas neuere Genres wie Performance Art, Installation, oder ältere Formen vermischt mit jüngerer Technologie (Erstellung von Skulpturen mit 3D-Printing) und andere Mischformen, existieren parallel in derselben Epoche, es ist vielleicht ein Spektrum an künstlerischen Ausdrucksformen, wie es noch nie grösser war in der Kunstgeschichte. Alles gleichzeitig, und alles gleichzeitig immer weiter fragmentiert.

Epilog

Und was denken die Geister selbst über all das? Wohl etwas für uns unverständlich Metaphysisches. Wer weiss, vielleicht stimmen sie später noch ganz leise in den gregorianischen Gesang mit ein, der von einer künstlichen Intelligenz komponiert wurde. Und weil die Zeit für sie durchlässig ist, flüstern sie vielleicht einem Künstler in Rente unvorhersehbare Schachzüge ein. Vielleicht tanzen sie sich durch die Jahrzehnte, Jahrhunderte, Rave, Rokoko, Regentanz. Ohne Pause. Ihre Energie kennt kein Ende, sie sind ständig aktiv, überall, zu jeder Zeit. Denn sie selbst bestehen aus nichts als purer Energie. Sie sammeln sich und gehen ans Werk.

Erschienen als Künstlerbeitrag in einem Buch zur Sammlung des Kunstmuseum Liechtenstein: Electrical Network, Kunstmuseum Liechtenstein 2021

Ferdinand Nigg: Das bewegte Bild

„Alles Erhabene findet sich auf Seiten des Kleinen wieder. Das Kleine ist, wie bei Platon, nicht weniger Idee als das Große.“
—Gilles Deleuze, Das Bewegungs-Bild. Kino 1, 1983


Anfangs waren es die eher augenscheinlichen Qualitäten, die mich an der Arbeit von Ferdinand Nigg, insbesondere bei dessen Bildteppichen, faszinierten: die Eleganz und gleichzeitige Verspieltheit seiner Formensprache, die ästhetische Wirkung seiner Kompositionen und das hohe Niveau der handwerklichen Ausführung. Nach einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit seinem Werk und Leben, das mir unter anderem ein Werkjahrstipendium der Kulturstiftung Liechtenstein im Jahr 2012 ermöglichte, eröffnete sich mir ein Zugang zu Nigg, der auch meine eigene künstlerische Arbeit nachhaltig beeinflussen sollte. So nehmen bereits zwei meiner Arbeiten direkt Bezug auf Ferdinand Nigg.

Das Werk von Nigg ist, wie auch sein Leben, reich an Kontrasten und Widersprüchen: Er absorbiert die Moderne und eine Reihe von zeitspezifischen ästhetischen Ideologien (Ornament, Reduktion, Abstraktion), nimmt erst Teil an Bewegungen nahe der Avantgarde seiner Zeit, um im späteren Leben im Verborgenen ein umfangreiches, von biblisch-mythologischen Motiven bestimmtes, sehr persönliches Werk zu schaffen. Es lässt sich ein Bewegungsmoment vom Insider zum Outsider feststellen. Auch im Werk selbst, vor allem in den Textilarbeiten, ist eine Art von Bewegung im Gang, in der die Motive unmittelbar aus den Kontrasten zu entstehen scheinen: Abstrakte Formen gehen in figurative Darstellungen über, Farb- und Formenkontraste lassen den Kontext für die zentralen Motive entstehen, Teile von Hintergrund und Vordergrund sind in einem ständigen Wechselspiel begriffen. Das Betrachten der Bilder ist ein permanenter Prozess: Es bewegt sich alles in diesen Bildinhalten, die zwischen Abstraktion und Figuration oszillieren, ähnlich einem Film oder einer Animation entwickeln sie einen Fluss, erwachen sie zum Leben.

Und in diesem Leben steckt ein Innenleben, das mich berührt, über das ich mehr wissen will. Die Bilder geben grosszügig Auskunft auf viele meiner Fragen, wie es scheinen mag, doch meine Interpretation mischt sich ein, meine eigene Vorstellungskraft, und so bleibt es schliesslich auch meine eigene Sicht auf ein Werk, das mich so einnimmt wie es mir meine eigenen Grenzen aufzeigt. Ich kann nicht mit Ferdinand Nigg über sein Werk sprechen, aber ich kann sein Werk konsultieren, das still weiterlebt in mir als Betrachter.

Dann sind da die Tiere1, die durch die Kompositionen wirbeln, die springen, die rennen, die alles durcheinander bringen oder alles anhalten, die verwirren, die bedrohen und beschützen, die jagen und flüchten, die abwarten, beobachten, suchen, die, so scheint es manchmal, zielstrebig versuchen etwas einzukreisen: Es ist dieses Etwas, das uns wieder zu Nigg bringt. Vordergründig kann man die Tiere bei Nigg in zwei Arten aufteilen, diejenigen, die der Natur, der Realität angehören, und diejenigen, die der Fabelwelt, der Fantasie entspringen. Zum einen sind es beispielsweise Hunde und Gänse, freundlich wirkende, hilfreiche Tiere oder Nutztiere, und auf der anderen Seite sind es Drachen oder Einhörner, die Verwirrung stiften oder eine Bedrohung darstellen, oder die beschützt werden müssen. Es sind zwei Welten, die aus diesen Motiven sprechen – die erlebbare, erfahrbare Welt der Natur und eine mystische Welt aus vergangenen Zeiten, die einer Tradition des Erzählens von Geschichten entstammt. In einer Grauzone zwischen diesen beiden Welten sind die „seltsamen“ Tiere angesiedelt, sie sind eine Art Bindeglied, sie zu definieren ist schwierig, da ihre Merkmale keine genaue Zuordnung zulassen, sie sind in ihrer Ambivalenz kaum greifbar. So ist ihr Platz in gewisser Weise derjenige, den Nigg selbst einnimmt mit seinem Werk: zwischen Moderne und Mystik.

Doch direkt unter der Oberfläche dieser Kategorisierung bewegt sich das Werk weiter, denn ein zweiter Blick offenbart etwas ganz Anderes, etwas Gegenteiliges gar, nämlich weniger eine Trennung, als vielmehr eine Verschränkung von Welten: Wenn Nigg Motive wie Drachen und Einhörner verwendet, ist dies ein direkter Rückgriff auf narrative und bildsprachliche Konstrukte des Christentums, in denen diese Fabelwesen beizeiten vorkommen. (In der christlichen Ikonografie steht der Drache für die Sünde und spezifisch in der Apokalypse für Satan, während das Einhorn entweder Keuschheit und Reinheit symbolisiert oder eine Allegorie auf die Passion Christi ist, d.h. auf Jesus verweist.) Fabelwesen und real existierende Tiere werden in ihrer Darstellung bei Nigg gewissermassen gleichberechtigt behandelt, es wird kein Unterschied zwischen dieser und jener Welt gemacht, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion sind offen (wobei ich auch wieder ans Kino denke). Es sind also weniger zwei Welten, die einander kontrastieren, als vielmehr eine einzelne, innere Welten-Union, in der natürliche und mythisch-religiöse Aspekte gleichberechtigt nebeneinander existieren, denn sie gehören für Nigg, so scheint es, zu einem einzigen grossen zusammenhängenden Ganzen, zu einem Leben, das Menschen und Tieren und allen anderen möglichen Wesen den selben Stellenwert einräumt.

Der unvollendete Bildteppich zu Franz von Assisi nimmt für mich in seinem Werk eine Sonderstellung ein. „Franziskus spricht mit den Tieren“ zeigt den Gründer des Franziskaner-Ordens und mehrere Tiere in einer reziproken kommunikativen Situation. Das Bild wirkt auf mich freundlicher als die überlieferten Geschichten von Franziskus und den Tieren, deren Kernaussage eine von notwendiger Gottes- und Obrigkeitsfürchtigkeit ist. In den Geschichten ist die Hierarchie klar, es ist Franziskus, der etwas fordert, nämlich bedingungslose Gefolgschaft für die Sache des Ordens, die auch die Sache der katholischen Kirche ist. In diesem Bild allerdings scheint die Situation offener, wärmer, dialogischer. Vielleicht liegt es an der Natur des Unvollendeten: Der Schnabel eines Vogels im linken unteren Bildbereich ist in einer Skizze noch geöffnet, in der im Entstehen begriffenen Stickerei aber wieder geschlossen, als ob es noch einen Austausch von Worten gab, bevor Nigg mit der eigentlichen Abeit begann. Ich stelle mir vor, wie Nigg, alleine arbeitend in seinem Haus in Vaduz, ein Wort des Trostes an den Vogel richtet, dass er – wie Franziskus als Schutzheiliger der Tiere – seinen eigenen Geschöpfen verbunden ist, dass sie ein Teil von ihm sind, wie er ein Teil von ihnen ist, und dass er sich von ihnen verstanden fühlt, und sie sich von ihm, ohne Bedingungen. Ein so versöhnliches wie flüchtiges Bild.

Nicht zuletzt kann ich den Weg, den Ferdinand Nigg als Künstler nahm, sehr gut nachvollziehen, denn in gewisser Weise sehe ich meinen Weg in seinem. Nigg begann als Grafiker und wurde nach und nach zu einem eigenständigen Künstler, mit einem Medium, das er beherrschte, und einer Bildsprache, die trotz der vertrauten Symbolik seiner Mo- tive von zutiefst persönlichem Charakter ist, denn diese Motive sind fraglos mit Bedacht gewählt. Sie scheinen mir einiges über ihn als Individuum zu erzählen, denn seine ist eine stille, in sich gekehrte, eine subjektive2 Kunst geworden, die sich weit entfernt hat vom früheren bildnerischen Schaffen der Auftragsarbeiten3. Ich selbst begann als Kommunikationsdesigner, wie man Grafiker heute nennt, und wandte mich mit den Jahren verstärkt der Kunst zu. Ferdinand Nigg zog 1898 nach Berlin, ich 2008, ein Stück weit wie auf seinen Spuren: erst mit beiläufiger Neugierde, sehr bald mit einer weit darüber hinausgehenden Faszination, die andauert.

Anmerkungen:

1. Tiere tauchen in allen Ebenen von Niggs Schaffen auf, sie sind wie ein selbst entwickelter Formenfundus, auf den er immer wieder zurückgreift.

2. Subjektiv verwende ich hier im Sinne vom vom Subjekt ausgehend: Nigg findet zu einem Auftrag, der von Innen her kommt, der intrinsisch ist, im Gegensatz zu einem Auftrag dessen Impetus von Aussen, extrinsisch, geprägt ist.

3. Der Einfluss seines grafischen Werks auf sein späteres Oeuvre ist komplex. Seine Kenntnis von Drucktechniken beispielsweise, besonders von deren zu erreichenden Effekten wie etwa die Kontraste, ist in meinen Augen zentral für die Wirkung seiner Textilarbeiten.

Erschienen als persönlicher Essay in: Ferdinand Nigg (1865–1949). Gestickte Moderne. Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2015

Nosferatu auslachen

In den Neunzigerjahren
des vergangenen Jahrhunderts
sah ich Nosferatu zum zweiten Mal.
Den von Murnau.
Zum ersten Mal sah ich ihn
als ich noch ein Kind war,
im Fernsehen.
Es war schrecklich.

Beim zweiten Mal war es
ebenfalls schrecklich.
Aber nicht so
wie beim ersten Mal.

Es war in der Cinématte in Bern.
Der kleine Saal war schlecht besetzt.

Nosferatu bewegte sich ruckelnd,
mit Schnitten zwischen den Schritten.
Es war kein natürlicher Gang,
sondern eine Vorwärtsbewegung wie
ein böser Zauber.

Pures Kino.

Doch dann lachten sie,
die Zuschauer hinter mir,
und ich verachtete sie dafür,
und ich bemitleidete sie.
Denn aus diesen Lücken,
den Schnitten zwischen den Schritten,
spricht eine Wahrheit.
Die Wahrheit des Kinos,
wie sie mit einem primitiven
technischen Mittel,
dem Schnitt,
eine Möglichkeit erschafft,
die es außerhalb des Kinos
nicht gibt,
nicht geben kann.

Die Disposition
der lachenden Zuschauer
im Kinosaal
ließ es nicht zu,
diese Möglichkeit
anzunehmen.
Diese Idee,
dieses Angebot,
diese Einladung.
Sie glaubten Nosferatu nicht,
sie ließen sich nicht auf ihn ein.
Sich auf ihn einzulassen
hätte bedeutet,
sich die Angst einzugestehen:
Was, wenn
es diese Art von Bewegung
auch außerhalb des Kinos gäbe?

Die Bildfrequenz
der Schritte Nosferatus,
was überspringt sie,
was liegt dazwischen,
zwischen diesen Schritten?

Nichts, das existiert.

Erschienen in: Der geheime Kinosaal der Bibliothek von Alexandria (und andere Bilder), Edition in Buchform, 100 Unikate, 2020

Why Colour? Notes on Imi Knoebel, Henri Matisse and Colour as a Quality
For Circles & Wigs (Jessica Groome and Ashleigh Bartlett)

The Black Square1 casts its long rectangular shadow over much of the 20th century and into the 21st century. Malevich—as a writer as much as an artist—was an important early guidepost for the German painter, sculptor and installation artist Imi Knoebel2: Knoebel’s use of colour was initially restricted to white and black, and to the colours that were inherent to materials he would use. When colour, in the form of specific (unmixed) samples from the colour spectrum, entered Knoebel’s work in the mid-1970s, it did so because it was a quality (as in Paul Klee’s sense of not ascribing certain qualities to colour, but denoting colour as a quality in itself3).

“Colour exists in itself, has its own beauty4. We were made to realize this by the Japanese crépons5 we bought for a few centimes on the rue de Seine. Then I understood that one could work with expressive colours which are not necessarily descriptive colours. Of course, the originals were no doubt disappointing. But isn’t eloquence even more powerful, more direct, when the means are vulgar?

Van Gogh was also crazy about Japanese crépons. Once my eye was unclogged, cleansed by the Japanese crépons, I was capable of really absorbing the colours because of their emotive power.”

Imi Knoebel’s 24 Farben—für Blinky [24 Colours—for Blinky] from 1977 is characterized by a clear separation of colour into various shapes6: Each shape is assigned its own colour: All of the twenty-four works of the series have irregular forms, they are paintings, clearly, but there is no rectangular canvas signifying this, and this independence of the one shape conventionally associated with the idea of a painting puts the focus, squarely, on colour. Knoebel created the work in homage to a close friend he had recently lost, the artist Blinky Palermo7, whom he considered a master of colour. While the twenty-four colours are supposed to represent, in a general sense, the full spectrum of colour, they are also, in Knoebel’s words, “very personal colours”: an expression of gratitude for a friendship.

In their work BFF (2018), Circles & Wigs (the Canadian artist duo of Jessica Groome and Ashleigh Bartlett) directly address the idea of friendship: BFF is an acronym of Best Friends Forever8, an exclamatory phrase used by adolescents, most commonly girls, to describe an important, seemingly permanent (but likely fleeting) relationship to a peer.

In a manner that is both tongue-in-cheek and with genuine respect for each other’s work, Groome and Bartlett’s long distance collaboration (between Berlin and Boston, currently) expands the term BFF to include not only their own actual friendship, but, significantly, the role of colour in their work. Similarly to how Knoebel’s twenty-four colours were a present—a tribute—to his friend, Groome and Bartlett are gifting each other colours (by assigning colour palettes) that they then use to create their respective works. Groome creates circles, monochromatic circular paintings, while Bartlett makes wigs from cut strips of polychromatically painted paper. There are two distinct stages to their working process, first apart from each other and outside of public access in their studios on different continents, then in situ at the gallery—collaboratively and performatively—, where we, the beholders, can take part in how a new set of “very personal colours” emerges. “What counts most with colours are relationships. Thanks to them and them alone a [work of art] can be intensely coloured without there being any need for actual colour.”9

“Any need for actual colour”? There is matter, and there is energy, and both are devoid of colour. Different kinds of matter have different kinds of molecular structures, which means they vary in how they absorb light. The light that is not absorbed by any given type of matter—the rest of the light, that is—is being remitted, or transmitted, to the eye of the beholder. Those rays of light carry in them the information that we decode as colour. But it is us, the beholders, that are actively taking part in this process of interpretation: without us, and without our contribution, there is no colour. We actively identify colours, name them, contrast and complement them: As we distinguish one colour from another, we can see—or, again, more precisely: interpret—similarities and differences, shades of colours, and based on that we can make decisions, and in doing so, we create relationships. Colour is in us. We are colour.

Why colour? Because we are.

Notes

1. Kazimir Malevich: The Black Square, oil on linen, 80 by 80 centimetres, 1915. With his concept of Suprematism, first introduced in 1915, Malevich proclaimed a directive for abstract art based on geometric forms as opposed to art that is devoted to the literal depiction of the material world for utilitarian purposes. He elaborated on Suprematism in his book The Non-Objective World that was published in 1927—not coincidentally—by the Bauhaus.

2. Imi Knoebel (German, 1940—) is a major proponent of Minimal Art. His abstract oeuvre in painting, sculpture and installation is strongly influenced by modernist principles, by Malevich and the Bauhaus. Knoebel’s work 24 Farben—für Blinky [24 Colours—for Blinky] (1977) that Circles & Wigs are referencing in their work BFF (2018), is in the collection of the Dia Art Foundation, New York.

3. Paul Klee, in a talk delivered in 1924

4. Henri Matisse in a conversation with André Marchand, 1947. Here, anecdotally, yet concisely, Matisse foreshadows Knoebel’s “discovery” of colour: Matisse’s delight in a consumer product—Japanese crépons—a culturally distant artifact to a eurocentric perspective (although manufactured with exactly that foreign audience in mind), helped him achieve a closeness to colour, to see colour for what it was, as opposed to what it was signifying.

5. Japanese crêpe paper (chirimen-gami ) is a finely textured, crinkled paper. In the late 1800s, when Europe “discovered” Japanese visual culture, it was typically sold in small formats, often not bigger than a letter size sheet, with colourful prints of Japanese landscapes or rural scenes incorporating figurative elements.

6. See also: “Shaped Canvas”, a term most commonly associated with 1960s New York based artists like Richard Tuttle or Frank Stella who explored non-rectangular uses of the canvas, and the 1964 Guggenheim exhibition “The Shaped Canvas”, curated by Lawrence Alloway. Notable precursors of art on irregularly shaped surfaces are the circular Tondo (mostly used for portraits) in ancient Greece, or Renaissance era Madonna and Child paintings with frames devised to echo and enhance its pictorial subjects (for example, in a rounded shape around a halo).

7. Blinky Palermo (1943-1977), influental German painter, like Knoebel he studied under Joseph Beuys

8. Most commonly used in text messaging, at the end of a conversation, the term’s first recorded use is from 1996, and in 2010 it was added to the New Oxford American Dictionary.

9. Henri Matisse, in a conversation with Gaston Diehl, 1945

Exhibition essay for Circles and Wigs’ (Jessica Groome and Ashleigh Bartlett) exhibition BFF at Kamloops Art Gallery, Canada, 2018

Three Ghost Stories

Prologue

Anyone considering an art collection may well soon find themselves dealing with ghosts. After all, an artwork, every artwork in a collection, is of course not solely an artwork, valid in its own right and self-sufficient, but just as much a story from the past, a memory. The artwork is part of a larger whole, and it is not still, it is in motion, its position changes, sometimes gradually, sometimes quite suddenly. It is in a state of constant transformation as a result of its context, the progress of time, the evolving values, ideas and imaginative possibilities of a particular period. There are a number of fixed, rational parameters to describe an artwork, for example, its provenance, its art historical categorisation, its classification in terms of genre or the quality of its craftsmanship or concept. Standing in contrast or complement to this is its ephemeral component, which stems from change. What questions does this give rise to? What ghosts have we summoned? Is the museum a haunted castle? An isle of the dead? A sound performance or a light installation?

1. The avant-garde

We need the hand of a good spirit to guide us. We need criteria by which to assess things. Clear distinguishing characteristics. Positioning. Words for it all. Where does one thing end, and something new begin? Just like in a text, we have to add markers. Starting points, full stops, ellipses …

Every avant-garde has only one time: the time of its emergence and influence, but according to Guy Debord the best thing that can happen to an avant-garde is that it enlivens its time without outliving it. The reason being that an avant-garde’s survival leads to something that cannot be reconciled with its underlying idea. The avant-garde falls behind. Only few, seminal artworks are seen as belonging to the avant-garde of a particular artistic movement. They are only new in their time, to which they give profile – a clear line, a differentiation from what went before. Then comes a later generation, epigones, certainly, but also further developments, adaptations and, eventually, the next avant-garde. Everything remains embedded in a time, a particular, finite time. The artistic avant-garde produces markers on the timeline of art. Some of these markers go on to become exhibits in a collection. Some of them soon appear in the rear-view mirror, becoming smaller and smaller, some sooner, some later. The road itself is just one of many. No longer do all roads lead to Rome, or Paris, or New York; the Western, male canon is a ruin. All roads run in all directions. Linearity is giving way to the network. The rhizome. But we need, crave orientation. Where are we heading? We need the hand of a good spirit to guide us.

2. History

In Ken McMullen’s 1983 film Ghost Dance we see the philosopher Jacques Derrida, playing himself, explaining cinema to a protagonist as ‘the art of letting ghosts come back’. It follows that everything that ‘comes back’ already began as a ghost. According to Derrida, ghosts are manifestations of the memory of a past that was never present and consequently is a mere figment, a fiction. What Derrida applied to cinema, writer Hans Magnus Enzensberger broadens to apply to history: ‘History is an invention for which reality supplies the materials. But it is not an arbitrary invention. The interest it arouses is based on the interests of those who recount it; and it allows those who are listening to it to recognize their own interests as well as those of their enemies, and to determine them more precisely. ... It is ... the true subject of history that casts a shadow ... as collective fiction.’ Taken together, the various parts of a collection, be it one of art or any manner of objects, are possessed of a narrative potential that can become manifest in the context of a presentation that tells a new story in the present about artefacts from the past. The past, and thus everything we may learn from it, all the ghosts who populate it, the good and the evil, and all those in between, can therefore be reappraised and reclassified in the present. In this way, the museum becomes the author of its collection, an ongoing narrative, one it is constantly writing, and the visitors become readers of an old story that is nevertheless equally always a new one.

3. Simultaneity

Early 2021. Museums and galleries are closed because of the ongoing pandemic, exhibitions have been installed but no visitors are allowed. It is quiet in the exhibition spaces. At the same time, the internet is abuzz with virtual activity on social media and the websites of galleries and museums. Digital exhibition models – such as the online viewing rooms offered by various art fairs or apps specially developed for specific shows that allow visitors to experience the exhibition as avatars in digital space – are available for viewing on laptops and smartphones. Expansive exhibition spaces are being replaced by little smartphone screens. There is a technological membrane between the art experience and art audience, but at the same time it is precisely this interface that enables a dialogue with art while the physical spaces of art remain currently inaccessible (potentially, this kind of dialogue could be continued when physical spaces eventually reopen: as a virtual addition to the museum in digital space).

This thin layer of glass on the smartphone is the point of contact between our own physical reality and digital reality. On one side: the touch of fingers typing, tapping and swiping; on the other, the programmed reaction (and, increasingly, artificial intelligence, learning and adapting its response) to each specific touch, feedback from virtual space. The object, in this case the smartphone, receives the touch without bias, it cannot help it, with both hardware and software being devised for precisely this purpose. In the smartphone user, i.e. in the subject, this triggers a wishful impulse (Freud) or, stronger, a desire (Lacan), as writer Clint Burnham wrote in his psychoanalytic consideration of the internet. What we see, then, is a double transference, in two spheres, on the one hand between the technological object and the human subject and, on the other, in the subject itself between the unconscious, i.e. our own genetic programme of drives and instincts waiting to be effected, and the conscious, reflecting self evaluating and classifying the data it receives, that is to say, collecting. We, the subjects, the users, collect data concurrently with the smartphone that stores our online behaviour and our preferences, disclosing this data to the companies who own the apps we use. This data is then stored (and constantly updated, linked and evaluated for reasons based primarily, but not exclusively, on power and money) on servers around the globe, in data centres known collectively as ‘the cloud’: the past and present as a continuously growing database. The cloud: an ephemeral, simultaneous entity pervaded by ghosts, our own and those called forth by the machine.

Thanks to the cloud, there are more public archives than ever before in the history of art: people can now visit digital archives on museum websites whenever they wish to view images of artworks in collections which have never been shown before, or not for some considerable time. Countless images, formerly perhaps only to be unearthed, if at all, by extensive research in books, are now freely available in the digital space of the internet. (Whether or not this leads to more frequent and profound reflection on these images that are constantly being digitally reproduced and viewed, is a question for another book – or screen.)

Simultaneity: The past and the present, as manifest in works of art, can be put into spatial relationships in a museum, facilitating their reflection through art. This kind of exhibition context is in contrast to digital formats, like virtual reality and augmented reality, that maximise the audiovisual potential of cinema and theatre and, particularly, video games in hermetic spaces of experience. Users wearing VR headsets are isolated from the outside world, yet immersed in a cosmos of virtual experience. Simultaneity: Traditional forms of art such as painting, sculpture, photography, and more recent genres including performance art, installation, or older forms married with recent technology (creating sculptures with the aid of 3D printing) and other hybrid forms exist in parallel in one and the same epoch to create what is perhaps a panoply of forms of artistic expression that has never been greater in the history of art. All at the same time, and all increasingly fragmented.

Epilogue

So what do ghosts themselves think about all of this? Probably something metaphysical beyond our ken. Who knows, perhaps one day they will demurely join in the Gregorian chant composed by an artificial intelligence. And because time is no barrier for them, perhaps they will put unforeseeable chess moves into some retired artist’s head. Perchance they will dance through the decades, centuries, rave, rococo, rain dance. Without respite. Their energy knows no bounds, they are constantly active, everywhere, at all times. For they themselves consist of nothing but pure energy. They collect themselves and go to work.

This text appeared as an artist contribution in a book on the museum collection of the Kunstmuseum Liechtenstein: Electrical Network, Kunstmuseum Liechtenstein, 2021

Weak Signals and Strong Doubts

Quiet Sea.







Above the dark ocean,
far in the distance: a flicker.

Excerpt from the zine of prose poetry that accompanied the exhibition Water Music (Overture) at La Datcha, Berlin, 2019




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